Martin Amanshauser

Hoch hinaus

Ein High-End-Suitenhotel in Bangkok wagt, die kulturelle Vorherrschaft der Tom-Yam-Garküchen zu brechen.

Eine Nacht in Bangkok, heißt es im berühmtesten Song über die Stadt, mache einen harten Mann bescheiden. Das Lebua State Tower Hotel, die auffälligste Landschaftsmarke des südwestlichen Bangkok, macht hingegen unbescheidene Leute glücklich. Mit seinen 64 Stockwerken, versehen mit Rundbalkonen, ähnelt es einem geschuppten vorzeitlichen Geschöpf von enormer Größe. Am Kopf, wo andere Hochhäuser flach oder mit einem rooftop swimmingpool enden, thront ein Aufbau mit goldener Kuppel, halb Pantheon, halb Otto-Wagner-Kirche.

General Manager Jay Jhingran aus Indien führt mit charmantem Lächeln auf die Plattform – der österreichische Staatsbürger hat viele Jahre im Hotel Ananas an der Rechten Wienzeile gearbeitet: „Das Ananas war ein außergewöhnliches Hotel, doch hier haben wir mehr Superlativen!“ Wo bei Hochhäusern normalerweise die Glasfronten nicht zu öffnen sind, verfügt im Lebua jede Suite über einen frei zugänglichen Balkon, selbstverständlich mit strikten „balcony rules“, die alle Gäste unterschreiben.

Im 63. Stock, rund zweihundert Meter über Bangkoks Silom Road, befindet sich die weltweit höchste Freiluft-Bar, die Sirocco, mit einzigartigen Blicken auf den Fluss Chao Phraya. Und hier ordert Hoteldirektor Jay Jhingran sein Gin Tonic: „Der purste Gin Südostasiens!“, lächelt er. Hergestellt werden die Drinks vom Südtiroler Mixologisten Alex Holzer und seinem Team. Der quirlige Brunecker gehört zu den Menschen, mit denen man sich großartig über alles unterhalten kann – aber nur kurz. Seine Lebensgeschichte passt bei Alex in drei Sätze hinein, wonach er davonhüpft, um neue Cocktails zu fabrizieren.

Riesige Urzeit-Geschöpfe entwickeln bekanntlich ein beträchtliches Eigenleben – insofern haben sich die Manager des Lebua in den Kopf gesetzt, ein Hotel zu konzipieren, auf das die Bezeichnung „Gourmettempel“ nicht nur in architektonischer Hinsicht zutrifft. Die Berliner „Twin Chefs“, Thomas und Mathias Sühring, von denen hartnäckig behauptet wird, einer sehe besser aus als der andere (man weiß nur nie, welcher!), haben soeben in der Kuppel das Flagschiff-Restaurant Mezzaluna wiedereröffnet – an jenem Februartag, als die Mondsichel über Bangkok am dünnsten war.

Im Degustationsmenu bieten sie Kreationen wie Japanese Mackarel, Nova Scotia Lobster oder Rhone Lamb in internationaler Spitzenqualität an – wie überall auf der Welt erhöhen die minimalen Portionen den Respekt vor dem Angebotenen. Der Ossetra Caviar ist so vorsichtig portioniert, dass Essende vollste Konzentration benötigten, um ihn nicht wie Seehasenrogen wegzuschlingen. Gediegene Küche in Bangkok muss natürlich immer heißen, sich mit den tausenden exquisiten Garküchen in den umliegenden Straßen zu messen – das schaffen die Sühring-Brüder. Aber nicht nur sie! Im 52. Stockwerk, erreichbar über eine Neonlichtbrücke, kocht der Singapurer Starkoch Sam Leong seine asiatische Fusionküche, die sich schon Bill Clinton oder die englische Königin schmecken ließen.

Nicht alles im Lebua will so hoch hinaus. Im Sinne der Kompetition mit der Thai-Kochwelt, die auf den Straßen Bangkoks brodelt, bietet das Hotel Kochkurse mit bodenständgen Mahlzeiten an. Der einheimische Executive Sous-Chef Somkid Chakornwongpaisit hilft bei der Herstellung einer herzhaften Tom Yam-Suppe oder führt Rezepte mit dem rätselhaften und herzhaften „Snowfish“ vor, den außerhalb Südostasiens niemand zu kennen scheint.

Und während unten die stampfende, laute, wohlriechende Stadt weiter vibriert, erlöschen allmählich die Lichter in den über 350 Suiten im Lebua. Der Bangkok-Song aus den Achtzigerjahren, weiß darüber poetisch, aber etwas misogyn, zu sagen: „Tea, girls, warm, sweet / some are set up in the Sommerset Maugham Suite.”

Hotel Lebua at State Tower, 1055 Silom Road, Bangrak, Bangkok 10500, www.lebua.com